Stationen von der Gründung zur Gegenwart

  • 15.10.1958: Gründung der selbständigen Abteilung für Biophysik am Physiologischen Institut der KMU Leipzig, Berufung des Physikers Walter Beier als Professor mit Lehrauftrag und als Leiter dieser Abteilung an die Medizinische Fakultät, später Umwandlung in eine selbständige Abteilung für Biophysik, die der Medizinischen Fakultät unmittelbar unterstellt wird.
  • 01.01.1961: Gründung des Institutes für Biophysik an der Medizinischen Fakultät der KMU Leipzig als Nachfolgeeinrichtung der bestehenden selbständigen Abteilung für Biophysik mit Prof. Dr. Walter Beier als Direktor.
  • 01.09.1969: Berufung Walter Beiers zum ordentlichen Professor für das Fachgebiet Biophysik an die Medizinische Fakultät der KMU Leipzig.
  • 01.03.1983: Abberufung Walter Beiers aus gesundheitlichen Gründen.
  • 01.09.1984: Berufung des Biophysikers Klaus Arnold zum ordentlichen Professor für das Fachgebiet Biophysik und zum Direktor des Institutes für Biophysik an die Medizinische Fakultät der KMU Leipzig. Dies führte zu einer wesentlichen Schwerpunktbildung „Membran- und Zellbiophysik“ am Institut sowie zur Etablierung wichtiger spektroskopischer Verfahren (ESR, NMR und Fluoreszenz).
  • 06.08.1993: Umbenennung des Institutes für Biophysik in „Institut für Medizinische Physik und Biophysik“.
  • Seit 1993 erfolgt zusätzlich auch die Physik-Ausbildung für die nach der Wende neu eingerichteten Studiengänge Pharmazie, Bioinformatik und Medizininformatik am Institut für Medizinische Physik und Biophysik.
  • Dezember 2004: Umzug des Instituts von der Liebigstraße in die sanierten Institutsgebäude in der Härtelstraße 16-18. Dies bringt eine sehr wesentliche Verbesserung der Bedingungen für Forschung und Lehre mit sich.
  • 01.10.2008: Berufung des Physikers Daniel Huster zum Universitätsprofessor für Medizinische Biophysik und Ernennung zum Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Biophysik

Medizinische Physik und Biophysik an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig

Wie schon M.v.Frey 1918 in seinen Anmerkungen zur Herausgabe der „Wellenlehre“ von E.H. Weber feststellte, war „die Mitte des 19. Jahrhunderts ungewöhnlich fruchtbar“ an „Bestrebungen, die Leistungen des tierischen Organismus physikalischen Betrachtungsweisen und experimentellen Prüfungen zu unterwerfen“. Vertreter dieser Epoche wie v.Helmholtz und DuBois-Reymond sahen sich als „Organische Physiker“, ein Begriff, der sich im Unterschied zur „Organischen Chemie“ so zwar nicht erhalten, der aber inhaltlich in den Fächern Physiologie, Biochemie, Biophysik und Medizinische Physik seine Fortsetzung gefunden hat. Die betreffende Denk- und Forschungsrichtung bildete als Wurzel der genannten Fächer in ihrer heutigen Gestalt den Gegenpol zum Vitalismus, der für die Lebensvorgänge besondere, in der anorganischen Welt nicht vorhandene Kräfte postulierte.

Mit Ernst Heinrich Weber, Gustav Theodor Fechner, Carl Friedrich Ludwig, Wilhelm Pfeffer und Wilhelm Maximilian Wundt erlangte die Universität Leipzig von der Mitte des 19. bis in das 20. Jahrhundert hinein eine besondere Ausstrahlungskraft, die weit über die Grenzen des Deutschen Reiches hinausreichte. Ihre Arbeiten waren in hohem Maße interdisziplinär. Sie pflegten enge wissenschaftliche und freundschaftliche Kontakte zu Kollegen anderer Disziplinen. So arbeitete Ernst Heinrich Weber als Anatom und Physiologe eng mit seinem Bruder, dem Physiker Wilhelm Weber, Nachfolger Gustav Theodor Fechners auf dem Physiklehrstuhl in Leipzig, zusammen. Der Physiker Th. Des Coudres, um ein anderes Beispiel zu nennen, erarbeitete auf Anfrage des Göttinger Biologen Rhumbler eine Theorie über den Einschluß kleinerer Fremdkörper in Flüssigkeitstropfen als Basis für die Erklärung der Phagozytose.

Nach Wilhelm Wundt und Adolph Fick war es besonders Otto Fischer in Leipzig, der das Gebiet der „Medizinischen Physik“ nicht nur durch ein Lehrbuch, sondern durch zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Biomechanik des menschlichen Bewegungsapparats und der Gelenke bekannt werden ließ. Er hat seine Forschungen stets in enger Zusammenarbeit mit dem medizinischen Partner und Förderer, dem Leipziger Anatomen Wilhelm Braune und nach dessen Tod dem Physiologen Carl Ludwig, durchgeführt. Der leider viel zu früh verstorbene Otto Fischer legte mit seinem Werk das Fundament, auf dem rund 50 Jahre später das Leipziger Institut für Biophysik, das heutige Institut für Medizinische Physik und Biophysik, durch den Institutsgründer Walter Beier mit Förderung durch den namhaften Physiologen Erich Bauereisen aufgebaut wurde. Die Medizinische Physik und Biophysik in Leipzig steht damit in direkter Tradition Ernst Heinrich Webers und der Organischen Physiker.

Während zum Zeitpunkt der Gründung des Leipziger Instituts für Biophysik unter Biophysik im wesentlichen die Untersuchung der Wirkung ionisierender Strahlung auf lebende Systeme verstanden wurde, hatte sich das Institut ausdrücklich, an Otto Fischer anknüpfend, die Entwicklung bisher vernachlässigter Teilgebiete der Biophysik auf die Fahnen geschrieben. Hierher gehören beispielsweise Untersuchungen zu elektrischen Eigenschaften der Zellen und der Gewebe, die Modellierung von informationsverarbeitenden Prozessen im Gehirn, Arbeiten zur Biomechanik der Blutströmung und des Skelettsystems sowie schon bald zu Merkmalen von Alternsvorgängen im menschlichen Organismus. Das in mehreren Auflagen erschienene Lehrbuch „Biophysik“ von Walter Beier übte einen nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung der Biophysik, besonders in unseren östlichen Nachbarländern, aus.

Ebenfalls in der Tradition Otto Fischers und seines klassisch zu nennenden Lehrbuchs „Medizinische Physik“ wurde die Physikausbildung der Studenten der Medizin durch Abkehr von einer „Schmalspurphysik“ für Nebenfächler hin zu einer gezielten anwendungsorientierten Ausbildung in Medizinischer Physik und Biophysik auf eine neue Stufe gehoben. Diese Konzeption hat leider durch die gegenwärtig geltende Approbationsordnung der Mediziner keine Unterstützung mehr erfahren, wird aber im Entwurf der neuen Approbationsordnung über die Integration der Fächer Physik, Physiologie und Pathophysiologie in eine übergeordnete medizinische Fächergruppe dagegen wieder ausdrücklich bestätigt. Initialisiert wurde die Neugestaltung der Physikausbildung in der Medizin durch das von vielen Medizinstudenten geschätzte Lehrbuch „Die Physik und ihre Anwendung in Medizin und Biologie“ von W. Beier und E. Dörner.

Nachfolger von Prof. Beier als Institutsdirektor war Prof. Dr. Klaus Arnold. Unter seiner Führung wurden neue Schwerpunkte in der Forschung des Instituts gesetzt. Im Mittelpunkt standen nun Arbeiten zu Wechselwirkungen in biologischen Systemen auf molekularer und zellulärer Ebene, vielfältige Untersuchungen zu Eigenschaften von Biomembranen und der Einsatz moderner Methoden der Spektroskopie und verschiedener NMR-Techniken, einschließlich MRT und MRS, in der Medizin. Die große Bedeutung der Zellmembranen für die Funktion der Zellen war bereits von Wilhelm Pfeffer erkannt worden, so daß auch mit diesem Gebiet klassische Leipziger Traditionen fortgeführt wurden. Der Einsatz der NMR-Methoden knüpfte an eine lange Tradition der Physik in Leipzig an. Durch das übergreifende Untersuchungsobjekt Knorpel/Bindegewebe gelang die unmittelbare Einbeziehung der Forschungen des Instituts für Medizinische Physik und Biophysik in die klinischen Aufgaben der Medizinischen Fakultät. Durch Forschungsprojekte im Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung, in zwei Sonderforschungsbereichen in Leipzig und Jena, im Graduiertenkolleg und im Innovationskolleg bestand und besteht eine intensive Mitarbeit in profilbestimmenden medizinischen und naturwissenschaftlichen Forschungsrichtungen der Universität Leipzig. Eine beachtliche Anzahl von Publikationen in renomierten Zeitschriften und viele erfolgreich abgeschlossene Dissertationen zeugen von der Fruchtbarkeit der zugrundeliegenden Forschungskonzeption.

Seit Oktober 2008 ist Prof. Dr. Daniel Huster Direktor des Institutes für Medizinische Physik und Biophysik